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In einer Branche der Älteste zu sein, hat Vorteile. In Berlin wird es nicht so genau genommen.
Wer auf der Suche nach dem alten Berlin ist, der beginnt seine Suche nicht selten bei Kneipen und Gaststätten. Das ist keine dumme Überlegung, denn an solchen Orten haben sich über lange Zeiträume verschiedene Menschen getroffen und ihre Spuren hinterlassen. Viele alte Gaststätten und Kneipen atmen den Hauch der Geschichte und in Berlin erst recht, das im Laufe der rund 900 Jahre seines Bestehens ein Teil der Welthistorie war und ist.
Der Titel der ältesten Gaststätte oder Kneipe Berlins besitzt also einiges an Gewicht und Reputation. Damit kann kräftig Werbung gemacht werden, doch die drei naheliegendsten Aspiranten auf diesen Titel, sind, wenn es genau genommen wird, Mogelpackungen. Das soll nicht heißen, dass es keine wundervollen Gaststätten wären, aber es gibt da einen kleinen Haken. Wer im Internet nach der ältesten Kneipe Berlins sucht, trifft vor allem auf drei Namen. Einmal die „Letzte Instanz“ und zum anderen „Zum Nussbaum“ und noch das „Wilhelm Hoeck“. Sowohl die letzte Instanz wie auch zum Nussbaum sind Gaststätten, die sich nicht mehr im Originalbau befinden. Die ursprünglichen Gaststätten wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und nach dem Ende des Tausendjährigen Reiches nachgebaut, wobei zwar ein wenig ursprüngliche Bausubstanz eingeflossen sein mag, aber grundsätzlich sind es Bauten aus den 1950er-Jahren. Einzig die Gaststätte Wilhelm Hoeck befindet sich noch im Originalgebäude und wird seit 1892 mit Unterbrechungen als Gaststätte geführt. Jedoch sind 120 oder 125 Jahre für eine Berliner Kneipe oder Gaststätte noch kein wirklich hohes Alter. Ähnliches findet sich in fast jedem Berliner Viertel, ausgenommen das Regierungsviertel, indem mit äußerster Gründlichkeit auch das letzte Quäntchen Tradition platt gemacht wurde.
Die Bomberpiloten der Alliierten haben sich in Berlin besondere Mühe gegeben und in der Innenstadt kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Folglich hält sich dort die Anzahl an Bauten mit Baujahr vor 1945 sehr in Grenzen.
Wirklich alte Bausubstanz findet sich eher in den Randlagen der Stadt, beispielsweise im nördlichen Teil von Tegel, in der Heiligenseestraße. Hier steht ein kleines Fachwerkhaus, das in der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert als Unterkunft für die Arbeiter des nahe gelegenen Schloss Tegels errichtet wurde. Später, zu Anfang des 19. Jahrhunderts richteten die damaligen Schlossherren ein Wirtshaus ein, das dazu diente, die Händler und Handwerker zu beköstigen, die auf dem Weg von und nach Berlin waren. Noch bis in das 20. Jahrhundert hieß die Gaststätte im Volksmund die Kutschkneipe. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der an dem Gebäude spurlos vorüberging, wurde es in ein Ausflugslokal umgewandelt und heute, nach einer im Jahr 1996 gründlich durchgeführten Restaurierung, ist das denkmalgeschützte Haus ein gehobenes Restaurant.
Die alte Waldschänke, so der heutige Name, ist natürlich keine typische Berliner Kneipe. Der Besucher wird auch keine typischen Berliner darin finden. Noch nicht einmal Touristen. Dafür ist sie einfach zu weit weg von Mitte und Kreuzberg, aber eben auch relativ sicher vor Bomben. Wer weiß denn schon, was noch alles auf Berlin zukommt?
Oktober 2019
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